Grußwort

Die Kinder werden flügge…

Geburtstagsgruß von Edgar Utsch

Als Großvater habe ich seit geraumer Zeit die zwiespältige Erfahrung hinter mir, dass die eigenen Kinder flügge werden – und sogar selbst schon wieder für Nachwuchs gesorgt haben. Diese Form des „Weitergehens“: ein besonderer Grund zur Zufriedenheit.

Diese Assoziation stellte sich mir spontan ein, als mich die IKvu um einen „Geburtstagstext“ bat. Mir schien, die Bitte hatte eine persönliche Färbung; darum auch der persönliche Einstieg und die nun folgenden eher biografischen Einträge ins Gästebuch zum 35. Geburtstag der Ikvu.

Die Initiative ist genauso alt – genauso jung wie meine Tochter. Nicht nur zu ihrer Geburt habe ich „beigetragen“, nicht nur sie habe ich 1980 aus der Taufe gehoben. Zusammen mit vielen kirchlichen Alt-Achtundsechzigern stand ich als Pate an der Wiege der IKvu. Wir hatten damals in verschiedenen nachkonziliaren Reformgruppen und in der Arbeitsgemeinschaft von Priester und Solidaritätsgruppen (AGP) schon gut zehn Jahre mühsamer kirchlicher Reformarbeit auf dem Buckel und freuten uns über die gelungene Geburt der neuen Reforminitiative. Sie sollte frischen Wind in den Reformprozess und kräftigen Gegenwind gegen restaurative Tendenzen, Einflüsse und Entscheidungen bringen. Außerdem erwarteten wir von ihr, dass sie die jüngere Generation für die kirchliche Reformarbeit gewinnen könne; v.a. aber sollte sie den Blick schärfen für die Notwendigkeit gesellschaftlicher Reformen und für die Einsicht, dass kirchliche und gesellschaftliche Erneuerungsprozesse miteinander verwoben sind. Manche der AGP-Gruppen waren nämlich auf dem politischen Auge eher blind. Die AGP war dennoch – trotz dadurch verursachter interner Spannungen – nicht nur Geburtshelfer der IKvu, sondern von Anfang an deren Mitglied, ebenso wie manche ihrer Gruppen.

Nach der Geburt (-shilfe) gab es dann in den folgenden Jahren eine durchaus für beide Seiten hilfreiche und anregende Zusammenarbeit. Frauen und Männer, die eine verantwortliche Rolle in der AGP spielten, engagierten sich auch in der IKvu. Über die sachliche Arbeit hinaus entstanden persönliche Kontakte, die bis heute dauern und dem jeweiligen – z.T. recht unterschiedlich akzentuierten – Reformengagement sicher nicht geschadet haben. Aus verschiedenen Gründen ließ dieses Miteinander in den weiteren Jahren nach, immer mal wieder belebt durch das persönliche  Engagement Einzelner aus der AGP zu besonderen Anlässen, z.B. bei den Ökumenischen Kirchentagen. Das hatte nichts mit Zertstrittensein zu tun, eher damit, dass für manche das Besteigen von Barrikaden auch wegen ihres Alters immer beschwerlicher wurde und die Leitern hätten gegen Rolltreppen eingetauscht werden müssen.

Wenn die AGP in diesem Jahr – nach 45 Jahren – ihre Arbeit beendet, dann kann sie das vielleicht ein wenig beruhigter tun, weil sie weiß, dass die IKvu, auch schon ein bisschen in die Jahre gekommen, noch da ist – neben anderen jüngeren Reforminitiativen wie der 1995 gegründeten Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ oder den Pfarrerinitiativen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Beim Entstehen dieser „Nachkommen“ standen wir ebenfalls nicht abseits. Manche aus unseren Reihen sind bei ihnen bis heute aktiv. Es gibt also trotz aller Ermüdungserscheinungen ein „Weitergehen“.

Danken möchte ich für die Anregungen, die ich durch die Initiativen, Stellungnahmen, Projekte etc. der IKvu erhalten habe; aber auch für die persönlichen Begegnungen, die mir u.a. geholfen haben, mein eigenes Engagement für die Reform der Kirche immer wieder kritisch zu überdenken.

Da ich gerade an einem Vortrag zum Zukunftsbild des Bistums Essen arbeite, möchte ich einige Eigenschaften, die die zukünftige Bistumskirche kennzeichnen sollen(„berührt“, „wach“, „vielfältig“), als Stichworte für meine (Glück-) Wünsche nutzen:
Die IKvu möge sich weiterhin berühren lassen von den in Not geratenen – oder besser: in Not getriebenen Menschen und nicht müde werden, in Wort und Tat für sie einzustehen.
Die IKvu möge auch weiterhin ihren wachen Blick auf die Defizite, Ungerechtigkeiten und Skandale in Kirche, Politik, Gesellschaft und nicht zuletzt Wirtschaft richten, um nach ihren Kräften mitzuhelfen, Kirche und Welt  gerechter und humaner zu machen.
Die IKvu möge auch weiterhin dafür sorgen, dass sie ein vielfältiges Gesicht zeigt, also   unterschiedlichen Meinungen und Menschen eine geistige und spirituelle Heimat bietet, in der sie Solidarität erfahren.

Den Mitgliedern und Verantwortlichen der IKvu wünsche ich Geduld und langen Atem, aber auch ein gehöriges und notwendiges Maß an Freude bei ihrer Arbeit.

In Verbundenheit
Edgar Utsch, Sprecher der AGP