Grußwort

35 Jahre – ein paar Gedanken zum Geburtstag der IKvu


von Fanny Dethloff


Vor 35 Jahren war ich als junge Frau dabei, als in meiner kleinen Stadt das Autonome Frauenhaus eröffnet wurde.

Vor 35 Jahren hatte ich Theologie angefangen zu studieren und quälte mich mit Latein, Hebräisch und Griechisch.

Vor 35 Jahren saßen wir in kleinen Gruppen zusammen mit Katholiken und Atheisten, Ordensleuten und Pastoren und diskutierten eine bessere Welt.

Vor 35 Jahren reiste ich noch mit der „Ente“ durch Südeuropa und lernte, wie gut es tat, in verschiedenen Sprachen über unsere Weltsicht zu reden. Wir wurden an allen Grenzen gestoppt und gründlich durchsucht.

Mit 35 Jahren war alles anders. Ich war bereits Pastorin, hatte zwei Kinder und war immer noch sozial engagiert.

Mit 35 Jahren sah die Welt anders aus: Die Mauer in unserem Land war weg, die Grenzen in Europa hatten für uns keine Bedeutung mehr und alles schien weit zu sein.
Alles Unmögliche war möglich geworden.

„Ich bin noch sehr jung und weiß nicht,
wie ich mich als König verhalten soll.“ 1. Könige 3,7
 
Sagt das ein 35-Jähriger?

Mit 35 Jahren ist das Gefühl da, schon reifer zu sein – auch wenn zu viel Verantwortung nicht das ist, was man sich wünscht. Man möchte noch einmal jünger sein, obwohl man doch mit jungen Jahren immer darauf zu eilte, älter zu sein.

Als Gemeinschaft, als Gemeinde, als Basis orientierte Bewegung ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, wofür man eingestanden hat vor all den Jahren – und was erreicht wurde.

„Wenn ich einmal König von Deutschland wär´“ sang Rio Reiser – und ließ anarchische Träume entstehen. Nein – das war eben nie das Ziel, Macht zu haben.
Gewaltlosigkeit, Frieden, Verantwortung teilen, sich engagieren, die Welt etwas gerechter machen und fair mit allen Ressourcen und der ganzen Welt umgehen.
Vieles bleibt anstrengend: Alles ausdiskutieren ist eine hohe Anforderung.
Konziliare Prozesse statt schnellen Prozess machen.

Bildung und sich einbringen. Vieles das uns bleibt und weitergeht. Heute mehr denn je engagieren sich Gemeinden für Flüchtlinge. Solidarisch teilen, unser Leben erklärt sich nicht von selbst. Unsere Lebensweisen und Regeln müssen wir verständlich machen. Das ist nicht neu, gab es immer schon die letzten 35 Jahre und doch sind da all unsere Ansätze wieder gefragt.

Wir wollten für uns, die wir denkend, betend, fühlend für eine bessere Welt einstehen, uns einsetzen. Und dabei einen Rückhalt, eine Heimat, etwas Geborgenheit finden in Formen der Spiritualität, die nicht durch Autorität geprägt ist – sondern durch Vollmacht und Teilen.
Wo stehen wir heute?

Ich wünsche uns allen, dass wir immer noch das Unmögliche für möglich halten.