Kommentar von Sebastian Dittrich
Margot Käßmann - eine vaterlandslose Bischöfin?
12.01.2010
Pünktlich zum neuen Jahr ging der Dauerclinch zwischen dem niedersächsischen law-and-order-Minister Uwe Schünemann (CDU) und der hannoverschen Landsbischöfin und EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann in eine neue Runde.
Was war passiert? In zwei Neujahrspredigten hatte die Bischöfin Anstoß an der Kriegssituation in Afghanistan genommen. Es solle um den Vorrang des Zivilen gehen, Krieg sei keine Lösung. Sie forderte mehr Fantasie für Frieden, für alternative Strategien der Konfliktbewältigung. Gebraucht würden Menschen, „die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren“. Alles nicht neu. Aus dem Munde der EKD-Vorsitzenden hat das aber schon einiges Gewicht, zumal Margot Käßmann auch von der kritikwürdigen EKD-Friedensdenkschrift in einem Zeitungsinterview etwas abgerückt ist: „Es gibt keinen gerechten Krieg. Es mag Kriterien geben, mit denen man einen Krieg rechtfertigen kann, was mir schon schwerfiele.“
Insbesondere für die „christdemokratische“ Union kommt die Debatte zum denkbar schlechten Zeitpunkt. Kaum ist die Diskussion über das Thema „Kundus“ und den vorgeblichen Informationsstand des adligen Sunnyboy zu Guttenberg abgeflaut, geht es schon wieder los. Wieder zeigen sich Ansätze einer Diskussion in der Bevölkerung, ob der Afghanistan-Krieg (Ja, Krieg!) rechtens ist oder nicht. Die nächste Verlängerung des Einsatzes durch den Bundestag dürfte nicht mehr geräuschlos möglich sein. Nur so lässt sich die Schärfe erklären, mit der zuerst Minister Schünemann auf die Predigten reagierte. Er wirft er der Bischöfin vor, sie blende wichtige politische Zusammenhänge aus - das gegenüber BILD: Man beachte die feine Ironie. Herr Schünemann schätzt zumindest in der Politik auch Retro: Man dürfe den Soldaten jetzt nicht in den Rücken fallen - Dolchstoßlegende lässt grüßen!
Dem Minister sekundierten die üblichen Verdächtigen, darunter der Reservistenverband Niedersachsen und der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Mit Ulrich Klose (SPD) und Ralf Fücks (Heinrich-Böll-Stiftung, B90/Grüne) waren weitere Vertreter kriegsbefürwortender Parteien dabei. - Nicht überraschend. Es folgte der ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Akademie Berlin, Robert Leicht. Er riet Käßmann, sich vor künftigen Stellungnahmen erst einmal mit Experten zu beraten. Ein „Das hätte es bei Wolfgang Huber nicht gegeben“ hat sich der große Verehrer des ehemaligen EKD-Oberen gerade noch verkneifen können.
In dieser illustren Runde durfte natürlich auch der Wehrbeauftragte nicht fehlen. Als Kriegdienstverweigerer dürfte Reinhold Robbe Krieg und das Töten von Menschen einmal für falsch gehalten haben. Nun wirft er Margot Käßmann vor, sie vermittle „Tausenden von gläubigen Soldaten“ das Gefühl, in Afghanistan gegen Gottes Gebote zu handeln. Die Kirche habe auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten.
Die Ermahnung, die Kirche habe auch für Soldaten da zu sein, geht etwas an der Sache vorbei: Speziell in der evangelische Kirche gibt es eine lange Tradition der Militärseelsorge – die mitunter eine stärkere Lobby als die Betreuung der Kriegsdienstverweigerer hat. Sicher verdienen auch Soldaten unsere Anteilnahme, sie brauchen als Menschen Unterstützung. Wahre Anteilnahme darf aber Kritik nicht ausschließen. Sie erschöpft sich übrigens auch nicht in öffentlichen Solidaritätsbekundungen und fernsehwirksamen Truppenbesuchen.
Und da sich der Wehrbeauftragte nun auf das Feld des Glaubens vorwagt, muss man doch wieder an das 5. Gebot erinnern (nachzuschlagen unter Exodus 20, 2-17.). Was mögen manche Politiker im Sinn haben, die sich „christlich“ nennen, aber Soldaten „robuste Mandate“ erteilen, Rüstungsexporte genehmigen und kritiklos die Hand für immer neue Auslandseinsätze der Bundeswehr heben?
Der Gott, der Mose seine Gebote offenbarte, hatte nicht die rules of engagement im Sinn oder die „wichtigen politischen Zusammenhänge“ a lá Schünemann. Auch den Unterschied zwischen „Krieg“ und „kriegsähnlichen Zuständen“ hätte man Mosis oder Jesu Zeitgenossen so wenig erklären können wie uns heute. Wir brauchen auch keine Diskussionen mehr über „getötet“ oder „gefallen“. Zivilisten und Soldaten sind tot, werden weiter getötet und lassen trauernde Angehörige zurück. Eine Regierung, die diese Tatsachen semantisch verschleiert, dokumentiert nur ihre eigene moralische Verkommenheit – nenne sie sich nun christlich, liberal oder anders.
Was lernen wir aus dieser Diskussion? Der Politik, insbesondere den „Christdemokraten“ sind Stellungnahmen der Kirchen durchaus willkommen – aber nur wenn sie die aktuelle Politik nicht in Frage stellen. Das Bündnis von Thron und Altar hat beim Thron noch Freunde – solange er die Zügel in der Hand behält. Zeit, sie endlich abzustreifen.
Am Ende bleibt aber auch ein versöhnliches ökumenisches Signal, das uns im Jahr des 2. ÖKT hoffnungsvoll stimmen sollte: Der niedersächsische Landesvater Wulff bemühte sich präsidial, den Konflikt zu entschärfen. Dass ein katholischer Ministerpräsident eine evangelische Landesbischöfin gegen seinen polternden (evangelischen) Innenminister in Schutz nimmt, ist doch auch ein Zeichen!