Kommentar von Sebastian Dittrich

Mitten im Leben

03.03.2010

Am vergangenen Donnerstag ist Margot Käßmann zurückgetreten. Der EKD-Rat sprach ihr das Vertrauen aus – doch überließ ihr selbst die Entscheidung. Es ist wohl nicht abwegig, dass hiermit eine ganz bestimmte Entscheidung nahe gelegt wurde.

10 Jahre als Landesbischöfin in Hannover, und die wenigen Monaten als EKD-Ratsvorsitzende waren eine gute Zeit für die evangelische Kirche. Margot Käßmann hat in Hannover – wie auch in der EKD für ein offeneres, freundliches Klima gesorgt. Mit ihrer gewinnenden Art, Offenheit, gerade auch Entschiedenheit in der Sache hat sie sich über die Grenzen der evangelischen Kirche, ja der Kirchen insgesamt großen Respekt erworben.

Auch im Vergleich mit dem früheren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber (mit dem sie viele Positionen teilt) wurde deutlich: der Ton macht die Musik. Und anders als bei ihrem Vorgänger, der allzu oft der Devise folgte „nach außen buckeln, nach innen treten“ war es bei Margot Käßmann oft umgekehrt. Das engagierte Eintreten gegen den Afghanistan-Krieg ist da nur eines von vielen Beispielen.

Wenn jetzt aber innerhalb und außerhalb der EKD beklagt wird, dass Margot Käßmann ein unersetzlicher Verlust sei, ist das symptomatisch. Nicht das es nicht stimmte. Aber gerade hier zeigt sich die in der evangelischen Kirche teils extreme Fixierung auf Hauptamtliche, ohne die angeblich nichts geht. Dabei war es doch gerade Martin Luther, der das Priestertum aller Gläubigen propagierte, das anscheinend viele vergessen haben.
Ich hätte mir oft gewünscht, dass das Eintreten der Bischöfin gegen den Krieg, für Flüchtlinge, für ein engagierteres Leben des Glaubens, auch weiter „unten“ - bei Kirchenvorstehern, Gemeindemitgliedern, Sympathisanten mehr Resonanz gefunden hätte, als nur zustimmendes Nicken. Denn Margot Käßmann war nicht allein die evangelische Kirche. Das wollte und konnte sie - bei allem Talent für mediale Auftritte – auch gar nicht sein.

Wie geht es jetzt weiter? - Nikolaus Schneider wird als Käßmanns Stellvertreter an die Spitze der EKD-Spitze rücken, und später wohl auch ganz offiziell den Ratvorsitz übernehmen. In der hannoverschen Landeskirche darf man gespannt sein, wie tief ein Nachfolger (oder eine Nachfolgerin!) in den Fußstapfen Käßmanns versinken wird.
Die evangelische Kirche wird sich in der nächsten Zeit mit weniger Aufmerksamkeit begnügen müssen. Das mag vielleicht zu Entzugserscheinungen führen. Aber eine Kirche, deren Gläubige sich auf „die größeren Gaben“ (1. Kor. 12, 31) besinnen, braucht keine medialen Stars, um wirksam zu sein. Eine solche Kirche stünde - nach dem Titel eines aktuellen Bestsellers – mitten im Leben.