Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft
Digitalfassung, Sonderdruck 06.08.2020. [67 Seiten]
von Peter Bürger
Sonderdruck mit Genehmigung & Unterstützung des Verfassers nach: Texte zur Militärseelsorge im Hitlerkrieg. Herausgegeben von Rainer Schmid, Thomas Nauerth, Matthias-W. Engelke und Peter Bürger. Digitalausgabe Oekif 2019.
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Vorbemerkungen zu diesem Paderborner Sonderdruck
In den 1990er Jahren erforschte die katholische Kirchenhistorikerin Antonia Leugers die Bemühungen des mit Bischof Konrad von Preysing eng verbundenen „Ordensausschusses“, die deutsche Bischofskonferenz zur NS-Zeit zu einer klaren Bezeugung des christlichen Dogmas von der Einheit des Menschengeschlechts (Humani generis unitas) – in Wort und Tat – zu bewegen. Hierbei zeigte sie auf, dass der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger – in markantem Gegensatz zu diesem Anliegen – auf der letzten Fuldaer Bischofskonferenz vor Kriegsende auf ein gemeinsames ‚Band des Blutes‘ zwischen den deutschen Bischöfen und „ihren“ deutschen Gläubigen abhob, in der Predigt sodann noch sein vordringliches Anliegen verlautbaren ließ: „Deutschland muß leben, auch wenn wir sterben müssen!“ (Die erzbischöfliche Rezeption des terminus technicus für „Arier“ wird im Titel der vorliegenden Veröffentlichung auf schmerzhafte Weise in Erinnerung gerufen.)
Die Abgründe der Amtsführung von Lorenz Jaeger während des 2. Weltkrieges wurden hernach im Buch „Hirten unter Hitler“ (1999) des Paderborner Katholiken Wolfgang Stueken – unter zahllosen seriösen Belegen – vermittelt. Doch eine kirchlichenamtliche Rezeption blieb diesem unbequemen Werk, das man als Christ oder Christin nur unter Erschütterung und Traurigkeit lesen kann, auf viele Jahre hin versagt.
Erst eine kommunalpolitische Eingabe der Demokratischen Initiative Paderborn (DIP) im Jahr 2015 bewirkte eine neue „Jaeger-Debatte“. Damals bat mich der schon sterbenskranke Arno Klönne, die DIP aus einer katholisch-pazifistischen Perspektive heraus zu beraten. Die hier nun im Kontext der aktuellen Debatte als „Sonderdruck“ vorgelegte Arbeit (zuerst 2019) vermittelt noch weitaus besser als das 2015 eingebrachte kleine Dossier, an welchen Schatten und Abgründen sich kein beteiligter Forscher vorbeimogeln darf.
Ein erstes Hoffnungszeichen bezogen auf die Aufarbeitung der kirchlichen Kriegsbeihilfe bringt in diesem Jahr eine Erklärung der deutschen Bischöfe. Leider hat man auf vielen Seiten dieser Stellungnahme doch wieder Vertretern der apologetischen Schule die Redaktion überlassen, so dass das gute Anliegen fast verdunkelt wird.
Die Hofgeschichtsschreiber des kirchlichen Selbstlobkollektivs bemühen sich gegenwärtig eifrig um eine „Historisierung“ der katholischen Kriegsassistenz. Was die Klerikerkirche sonst selten kennt, das wird nun plötzlich im Übermaß eingefordert: Einfühlung, Verzicht auf Werturteile und sehr viel Verständnis für menschliches Versagen.
Säkulare, kirchenferne Geschichtsforscher sollten sich gut überlegen, ob sie diesem Vorgehen wirklich Beifall zollen können. Dass moralische Verurteilungen keine seriöse Forschung, Faktenermittlung usw. ersetzen können, ist allen Seiten bekannt. Dem wertfreien „Historisieren“ der bischöflichen Unterstützung für Hitlers Krieg stehen jedoch zwei Umstände entgegen:
a) Die Bischöfe beanspruchten gegenüber den sogenannten „Laien“ Weisungsbefugnis sowie einen privilegierten Wahrheitszugang, als sei ihre „Salbung mit Heiligem Geist“ wesenhaft eine andere als die der an- deren Getauften. An diesem dogmatischen Anspruch der Hierarchie sind Versagen, irrige Weisungen und bischöfliche Kollaboration mit einem massenmörderischen Komplex zu messen. Wer darauf verzichtet, arbeitet der klerikalen Machtideologie zu und sabotiert Lernprozesse der kirchlichen Gemeinschaft.
b) Die zur Entgegennahme bischöflicher Weisungen angewiesenen ‚Laien‘ und Leutepriester ‚unten‘ gingen in vielen Fällen nicht mit der Kriegsassistenz der Bistumsleitungen ‚oben‘ konform, sondern folgten einem authentischen Christentum – indem sie der Hierarchie ungehorsam waren. Wie soll man diesem gerade für das Paderborner Bistum gut belegten Befund gerecht werden, wenn wir in der historischen Darstellung auf Vergleiche und Bewertungen verzichten?
Vermutlich werden öffentliche Ehrungen Jaegers dereinst nicht aufgrund seiner nationalistischen und militaristischen Schatten aufhören, sondern wegen der systematischen Verschleierung der sexualisierten Klerikergewalt im Erzbistum. Gleichwohl wird es der apologetischen Schule kaum gelingen, wie in früheren Zeiten die dem Hitlerkrieg zugeneigten Ideologien und Handlungen dieses hochrangigen Klerikers unsichtbar zu machen.
Peter Bürger
Düsseldorf, den 6. August 2020