IKvu-Geschichte

Warum musste die IKvu evangelisch werden?

Ein kurzer Blick auf die gemeinsame Geschichte von IKvu und ESG


von Uwe-Karsten Plisch, 2005

Auf die oben gestellte Frage sind drei Antworten möglich.
Erstens: Sie musste nicht (sondern wollte).
Zweitens: Sie ist es nicht geworden.
Drittens: Sie war es schon immer.

Der Beitritt der Evangelischen StudentInnengemeinde in der Bundesrepublik Deutschland in die Initiative Kirche von unten – als größtes Einzelmitglied, obwohl sich die genaue Zahl aller ESGlerInnen gar nicht ermitteln lässt – basierte zuallererst nicht auf einer Willensentscheidung der einen oder anderen Seite, sondern auf einer gemeinsamen Erfahrung auf einem zunächst kleinen und lokal begrenzten Stück gemeinsamen Weges. Als ich – zuständehalber – das IKvu-Engagement von meiner Vorgängerin Katrin Rogge erbte, war mir die Mitgliedschaft der ESG in der IKvu bereits so selbstverständlich, als wäre die ESG schon immer dabeigewesen. Als wir im Leitungsteam über die konkrete Form der Namensänderung von „Initiative Kirche von unten“ in Ökumenisches Netzwerk „Initiative Kirche von unten“ stritten (heftig übrigens, aber nur der Form wegen, nicht in der Sache), kam ich überhaupt nicht auf die Idee, das könnte etwas mit uns zu tun haben (die Namensänderung, nicht der Streit!). In Wirklichkeit war die ESG da gerade erst seit einem Jahr ein Knoten des Netzwerkes – der ESG-Rat hatte auf Initiative von Tim Schmidt am internationalen Frauentag 2003 einstimmig den Antrag auf Beitritt beschlossen. Die IKvu, die ihrerseits herzlich um diese Mitgliedschaft geworben hatte, verband mit dem Neuzugang die Erwartung auf eine Stärkung der politischen Ökumene und des protestantischen Anteils an der IKvu und (unausgesprochen) wohl auch auf eine Verjüngung. In ihrem Selbstverständnis war die – von der Wurzel her (links)katholisch geprägte – IKvu schon vorher ökumenisch, doch ergab sich durch das hinzukommende protestantische Element die Chance, sich nicht immer wieder einen Diskurs aus der „Perspektive alter, frustrierter, lebens- und sexängstlicher Männer“ (Bernd Hans Göhrig) aufdrängen zu lassen. Freilich sollten wir uns nicht in der Illusion wiegen, dass diese entwicklungsgeschichtlich bedingte theologische Analfixierung schon in toto überwunden wäre. Ein von mir radikal und unbarmherzig gekürzter IKvu-Bericht für die ESG-Zeitschrift ansätze begann mit den folgenden Worten:

„Neues Pontifikat, neues Leitungsteam, neues Jahresmotto, neue KooperationspartnerInnen, neue Mitgliedsgruppen, Neuwahlen – das Jubiläumsjahr der IKvu hat nicht nur stürmisch begonnen, es geht auch so weiter.
Der erste Frühjahrsturm brach etwas überraschend mit dem Tod Johannes Paul II. über uns herein. Wie wir auf der Delegiertenversammlung der IKvu, die genau in der Zeit zwischen dem Tod des Papstes und dem Beginn des neuen Konklaves in Bonn stattfand, in einer Wandzeitung dokumentierten, war die IKvu innerhalb von zehn Tagen in mehr als 50 Artikeln und Presseinterviews zitiert und in Erscheinung getreten.
In der deutschen, wie auch in der internationalen Presse, bis hin zu chilenischen Fernsehstationen wurden wir immer wieder nach einer abschließenden Bewertung des Pontifikates von Johannes Paul II. befragt.“

Und so ging es dann noch eine Weile weiter mit Papst und Pontifikat … Ja, darum musste die IKvu evangelisch werden … und darum wollte sie es auch. Hat man/frau/kind/mensch einen Sinn für Milchmädchenrechnungen, kann man/frau/kind/mensch den Beitritt der ESG natürlich auch – je nach gusto – als feindliche Übernahme oder massive Unterwanderung interpretieren. Die Bundes-ESG, ihrerseits ein basisdemokratisches Netzwerk aus (links)protestantischer Tradition, umschließt ja etwa 150 Ortsgemeinden, die jede für sich größer sein dürften als die meisten der 36 Basisgruppen in der IKvu – nur dass sich ihre Glieder ihrer basisdemokratisch von oben beschlossenen Mitgliedschaft in der IKvu meist kaum bewusst sind  (sowenig oft wie ihrer Zugehörigkeit zur Bundes-ESG).
Wie sehr die IKvu schon immer evangelisch war, nämlich in demselben Sinne, in dem auch die ESG sich in erster Linie als evangelisch versteht, nämlich als der befreienden Botschaft des Evangeliums verpflichtet (darum geht es nämlich! Möge das Wort von der „befreienden Botschaft des Evangeliums“ niemals zur Phrase verkommen!!), wird am ehesten deutlich an der „natürlich“ gewachsenen Zusammenarbeit von IKvu und ESG. Freilich braucht es immer Menschen, die solcher Natur zu ihrer Geschichte verhelfen. Was auf lokaler Ebene 2000 in Frankfurt am Main (und hier und da auch schon früher), angestoßen nicht zuletzt durch Katrin Rogge, begann, hatte seinen ersten Höhepunkt in den gemeinsamen Aktivitäten auf dem Frankfurter Kirchentag, bei deren Vorbereitung IKvu und ESG in trauter Eintracht nun auch mit der evangelischen Institution „Kirchentag“ kollidierten. Dabei ist es geblieben.

Seitdem sind IKvu und ESG auf bzw. neben evangelischen Kirchen- und katholischen Katholikentagen stets auch miteinander aufgetreten. Unvergesslich die Afrikazentren auf den Kirchentagen in Berlin und Hannover, wie sich überhaupt die Entscheidung, sich auf Themen (und nicht auf Organisationen) zu konzentrieren, als fruchtbar erwiesen hat. Wie langweilig wäre der Ulmer Katholikentag 2004 gewesen ohne das Ökumenische Zentrum in der Luthergemeinde. Neuerdings arbeiten IKvu und ESG auch bei der Konzeption und Durchführung von Wochenendseminaren, also einem genuinen ESG-Arbeitsfeld, erfolgreich zusammen – so die beiden Seminare "Fundamentalismus – Magie und andere Formen primitiver Religion im Christentum" im vergangenen Oktober und "Karl May: „Krimineller“ - Weltreisender – christlich-politischer Visionär" am 1. Advent.

2002, bei der Vorbereitung des gemeinsamen Abendmahls auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin bin ich der IKvu übrigens zum ersten Mal persönlich begegnet, damals noch auf ganz anderer Seite (aber nicht der Barrikade). Als Kirchenältester der Evangelischen Kirchgemeinde Prenzlauer Berg Nord (Gethsemane et al.) war ich an Vorbereitung und Durchsetzung (auch gegen den Widerstand der Berlin-Brandenburgischen Kirchenleitung) des gemeinsamen Abendmahls beteiligt. Bei aller Übereinstimmung in der Sache hatten wir damals immer einen gewissen Respekt vor der Pressearbeit der IKvu und die Sorge, in einer PR-Aktion der IKvu als Gemeinde nicht genügend vorzukommen. Aber DAS ist Schnee von gestern.