Essener Kreis
Der Essener Kreis wurde 1969 gegründet. Die Entwicklung unserer Gruppe innerhalb dieses Zeitraumes kann man in drei Phasen einteilen:
1. Phase der Kirchenreform
Bei seiner Gründung sollte der Kreis eine "Position der Mitte" einnehmen, denn die Reformimpulse des Konzils schienen von zwei Seiten gefährdet: auf der einen Seite durch die offizielle Kirche (ein deutliches Zeichen dafür war die Enzyklika "Humanae vitae"), andererseits durch die das Wesen der Kirche arg verkürzende Bewegung des "Kritischen Katholizismus". Die Gründer des EK wollten also die Reformansätze des 2. Vaticanums aufgreifen und in einer zeitgemäßen pastoralen Arbeit umsetzen. In dieser Zeit waren daher viele Priester Mitglieder des EK, der allerdings von Anfang an Laien aufnahm. So fehlte im Grundsatzpapier auch nicht der gesellschaftspolitische Aspekt.
In dieser Phase des kirchenreformerischen Bemühens wurden zwei Handreichungen erarbeitet: eine zum Thema "Geschieden - und wiederverheiratet" und eine andere zum Thema "Erstbeichte". Außerdem arbeiteten wir in der "AG - Synode" mit, in der sich die Reformkräfte der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der BRD zusammengeschlossen hatten. Mit dem Ende der Synode endete auch die vor allem binnenkirchlich orientierte Arbeit des EK. Die Gründe dafür waren vielfältig: u.a. stellte sich immer mehr heraus, dass ein wirklich weiterführender Dialog mit der Bistumsleitung im Hinblick auf reale Konsequenzen für die Pastoral nicht möglich war. Besonders Priester zogen sich von der Arbeit des EK zurück.
2. Phase des gesellschaftspolitischen Interesses
In der Folge wurde - u.a. angeregt durch das „Hoffnungspapier" der Synode die Bedeutung der politischen Theologie größer. Fragen der Abrüstung, der Friedenssicherung, der politischen Verantwortung der Kirche und der Christen standen im Vordergrund. Dazu gehört auch die Option des EK für die Friedensbewegung und nicht zuletzt der Beitritt zur IKvu. Außerdem arbeiteten zwei Arbeitskreise zum Thema "Frieden" bzw. "Dritte Welt".
All das verlief nicht ohne Spannungen und Enttäuschungen; einige Mitglieder verließen den EK - einige fanden zu ihm, die aber zum Großteil den Kreis in der Zwischenzeit schon wieder verlassen haben. Auch in dieser Phase haben wir den kirchlich-theologischen Aspekt unserer Arbeit nicht vergessen. Es fanden die ersten mehrtägigen Exerzitien statt, die seitdem alle drei Jahre durchgeführt werden; in ihnen bemühen wir uns um eine zeitgemäße Spiritualität und Theologie. Der EK versucht somit für seine Mitglieder wenigstens partiell eine "Notgemeinde" zu sein - allerdings keine "Kuschelecke".
3. Phase intensiverer fundamentaltheologischer Bemühungen
In den letzten Jahren trat die Beschäftigung mit zentralen theologischen Fragen in den Vordergrund. Die großen kirchlichen Feste waren Anlaß, unter verschiedenen Fragestellungen z.B. die Themen Inkarnation oder Auferstehung zu besprechen; Fragen zum Verhältnis Judentum - Christentum, zum Gottesdienst oder zur Feministischen Theologie standen im Mittelpunkt unserer Treffen.
Aber auch die "Welt" wurde nicht aus den Augen verloren. Probleme der Arbeitslosigkeit, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Sozialwort der Kirchen und Schwerpunkte des "Konziliaren Prozesses" standen auf unserer Tagesordnung.
An der notwendigen Vernetzung kirchenreformerischer Gruppen und Initiativen hat der EK sich ebenfalls beteiligt. Neben der bereits erwähnten Mitgliedschaft in der IKvu sind wir von Anfang an in der Arbeitsgemeinschaft von Priester- und Solidaritätsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland, und einige unserer Mitglieder haben nicht nur den Kontakt zur AGP gehalten, sondern in wichtigen Funktionen deren Arbeit mitgestaltet. In unterschiedlicher Intensität bestehen auch gute Beziehungen zu den benachbarten AGP-Gruppen, zur SOG Paderborn und zum Freckenhorster Kreis. Die Durchführung des KirchenVolksBegehrens 1995 wurde in unserem Bistum und auf der Ebene der BRD von uns unterstützt. Seitdem besteht auch eine personelle Verzahnung mit der Bistumsgruppe "Wir sind Kirche im Bistum Essen".
Die Arbeit des EK ist gekennzeichnet durch "die große Hoffnung und die kleinen Schritte". Wir haben die große Hoffnung auf eine erneuerte Kirche nicht aufgegeben - und das gab uns wohl die Hartnäckigkeit, die oft sehr kleinen Schritte zu gehen, damit die Reform von Kirche und Gesellschaft keine Illusion bleibt.