Initiative ChristInnenrechte in der Kirche (ICK)

Die Initiative Christenrechte in der Kirche führt die Arbeit des 1979 gegründeten Komitees Christenrechte in der Kirche weiter. Die Initiative versteht sich als ökumenische Bewegung von Christinnen und Christen aus den Großkirchen, wobei die römisch- katholische Kirche aus strukturellen Gründen stärkere Konfliktfelder beinhaltet und einen erheblichen Reformstau aufweist.


Wir stellen mit Bedauern fest, dass die "Berliner Erklärung zu den Christenrechten in der Kirche" vom Juni 1980, die anlässlich des ersten KatholikInnentags von unten am Beginn der ChristInnenrechtebewegung stand, trotz der erfreulichen Erneuerungsversuche von Papst Franziskus heute – Ende 2013 - so aktuell sind wie damals.In vielen Dingen ist Papst Franziskus ja erzkonservativ, wie seine Äußerungen zum Frauenpriestertum und zur Homoehe zeigen.       

                     
Nicht ohne Stolz stellen wir fest, dass wir ChristenrechtlerInnen als "kleine radikale Minderheit" im Rahmen der Initiative Kirche von unten jahrelang Pionierarbeit geleistet haben für die seit 1995 durch die Kirchenvolksbewegung international als dringend erkannten Kirchenreformanliegen. Wir können unsere programmatische Berliner Erklärung zu den ChristInnenrechten aus dem Jahre 1980 zitieren, als wären sie heute formuliert:

Die Christenrechte in der Kirche sind bedroht!

Jesus von Nazareth hat sich durch Wort und Leben für die Befreiung der Menschen, für die Gleichheit der Menschen ohne Ansehen der Person und für Menschlichkeit und Herrschaftsfreiheit in der Gestaltung der sozialen Beziehungen eingesetzt; gleichwohl haben die christlichen Kirchen im 18. und 19. Jahrhundert, ja bis in die Gegenwart hinein, die theoretische Begründung und politische Durchsetzung der Menschenrechte bekämpft.


Um so nachdrücklicher ist zu fordern, dass die Kirche sich mit den emanzipatorischen Bemühungen der Neuzeit kritisch und konstruktiv auseinandersetzt und die Verwirklichung der individuellen und sozialen Menschenrechte in ihren eigenen Reihen sicherstellt. Umso glaubwürdiger kann sie sich für die Verwirklichung der Menschenrechte in der Gesellschaft einsetzen.

  • Wir wenden uns gegen einseitige und interessenbedingte Auslegungen des Neuen Testamentes und der christlichen Traditionen; wir setzen uns ein für einen herrschaftsfreien Dialog, um so die Botschaft Jesu in der heutigen Gesellschaft ehrlich und redlich bezeugen zu können.
  • Wir wenden uns gegen patriarchalische Abhängigkeitsverhältnisse in der Kirche; wir setzen uns ein für ein freiheitliches Miteinander von Frauen und Männern.
  • Wir wenden uns gegen die faktische Exkommunikation ganzer Gruppen von Christen (z.B. wiederverheiratete Geschiedene, verheiratete Priester, Homosexuelle); wir setzen uns ein für eine Haltung der gegenseitigen Achtung und Versöhnung.
  • Wir wenden uns gegen eine Kirche, die von "heiligen Herrschern" geleitet wird; wir setzen uns ein für kirchliche Gemeinden, die dem Glück der Menschen dienen wollen.
  • Wir wenden uns gegen ein bürokratisierte Kirche; wir setzen uns ein für mehr Menschlichkeit in unseren Gemeinden.
  • Wir wenden uns gegen ein neokolonialistisches Verhalten der Kirche in der ersten Welt; wir setzen uns ein für eine Kirche, die solidarisch ist mit den Armen hier und in der dritten Welt.

Die Initiative Christenrechte in der Kirche versucht, aus dem Bewusstsein heraus, dass wir Kirche sind, die befreienden Impulse des Evangeliums für unsere Arbeit wirksam werden zu lassen. Im Laufe der Jahre hatte unsere Arbeit vor allem folgende Schwerpunkte: thematische Arbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Christenrechts-Fallarbeit in konkreten Konflikten, Mitgestaltung von KatholikInnentagen von unten und Beteiligung bei Kirchentagen sowie den Aufbau internationaler Netzwerke für Menschenrechte in der Kirche und Kirchenerneuerung. Inzwischen müssen wir unsere noch vorhandenenKräfte darauf konzentrieren, das kirchliche Geschehen zu beobachten und mittels eines jährlichen „Infos“ kritisch zu dokumentieren (Gerade ist das 23. Info erschienen. Es kann kostenlos beim Geschäftsführer Gerd Wild, Mithrasstr. 45,60439 Frankfurt zu bestellt werden).

Die „Fallarbeit“

ChristInnen aller Konfessionen geraten häufiger mit ihren Kirchen in Konflikt (insbesondere arbeitsrechtlich), als es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wir mussten im Laufe der Jahre feststellen, dass sich hier die römisch-katholische Kirche besonders hervortut, was die Zahl der Konflikte, die Härte der Auseinandersetzung und die Rigidität ihrer "Lösungen" angeht. Als Ursachen hierfür sind u.a. zu benennen: ein monarchistisch-autoritärer, zentralistischer Kirchenleitungsstil in Verbindung mit einer repressiven überholten Sexualmoral und einem reformbedürftigen Kirchenrecht, nicht zuletzt jedoch unser geltendes Staatskirchenrecht mit seiner grundgesetzlich verankerten Sonderstellung der Kirchen und der fehlenden Trennung von Staat und Kirche.


Die meisten Konflikte haben strukturell bedingte Ursachen, betroffen sind jedoch immer einzelne Menschen.
Hier seien einige der häufigsten Problemfelder benannt:

  • ChristInnen in konfessionsverbindenden Ehen wird die ökumenische Abendmahlsgemeinschaft vorenthalten.
  • Da Frauen grundsätzlich der Zugang zu den Weiheämtern versagt wird, haben katholische Theologinnen keinen Zugang zu kirchlichen Leitungsämtern und als Laiinnen nur eingeschränkte Mitwirkungsmöglichkeiten an der wissenschaftlich-theologischen Lehre und Forschung an den Universitäten (60% der Professorenstellen an theologischen Fakultäten sind von vornherein Priestern vorbehalten).
  • Verweigerung des "Nihil obstat" für HochschullehrerInnen; Disziplinierung durch Entzug der Missio Canonica, auch gegenüber ReligionslehrerInnen.
  • Wegen Heirat aus dem Amt ausscheidenden Priestern wird das Recht auf Laisierung und damit auf eine kirchliche Eheschliessung und eventuelle Beschäftigung im kirchlichen Dienst oder Schuldienst verweigert. Frauen, die einen Priester heiraten, verlieren ihre kirchliche Anstellung.
  • Geschiedene Wiederverheiratete werden als exkommuniziert faktisch aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgegrenzt; eine Kündigung im kirchlichen Dienst ist häufig die Folge.
  • Schwule Männer und lesbische Frauen werden schwer diskriminiert und haben, wenn sie offen zu ihrer Lebensform stehen, insbesondere als MitarbeiterInnen des kirchlichen Dienstes und als Priester, Sanktionen wie Kündigung, Suspendierung etc. zu erwarten. Sie sind daher in der Regel zu einem entwürdigenden Versteckspiel und Doppelleben genötigt.


Diesem Personenkreis galt die solidarische Christenrechtsarbeit schon in den frühen 80er Jahren, in der Zusammenarbeit mit der IKvu-Gruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) und durch Unterstützung schwuler katholischer Priester und kirchlicher Mitarbeiter.


Die ChristInnenrechte-Arbeit mit den ungleich stärker tabuisierten lesbischen Frauen in den Kirchen begann als "Christenrechte-Tochter", genannt AK Lesben und Kirche "LuK" im Regionalkomitee Rhein-Main, von 1983 bis 1987 (Mitwirkung beim Frankfurter Kirchentag, bei Akademietagungen und einem Buchprojekt). Aus diesen Anfängen konnten sich ab 1986 eigenständige Lesben-Kirchen-Netzwerke entwickelten, gerade auch für kirchliche Mitarbeiterinnen. In ähnlicher Weise unterstützte die Initiative Christenrechte gut 10 Jahre danach das 1997 von katholischen Theologinnen und kirchlichen Mitarbeiterinnen in München gegründete Netzwerk Katholischer Lesben.


Der spektakulärste Konfliktfall, in dem die Initiative Christenrechte aktiv wurde, betraf den inzwischen verstorbenen Befreiungstheologen Pater Tissa Balasuriya OMI aus Sri Lanka, der von der Vatikanischen Glaubenskongregation wegen seines Buches "Maria und die menschliche Befreiung" exkommuniziert worden war. Wir konnten ihn gemeinsam mit der IKvu zu einer Vortrags- und Begegnungsveranstaltung in der Aula der Frankfurter Universität einladen. Zusammen mit den Solidaritätsaktionen und seinen Auftritten in anderen Ländern wie Belgien, Holland, England und den USA mag dies auch ein wenig dazu beigetragen haben, dass er inzwischen rehabilitiert wurde. Wir haben versucht, den Kontakt zu Balasuriya halten, z.B. durch die Teilnahme an einer von Balasuriyas "Centre for Society and Religion" organisierten Konferenz asiatischer und afrikanischer Theologen. Aus vielerlei Gründen ist der Kontakt leider abgebrochen.

Die Initiative Christenrechte in der Kirche setzt ihre internationalen Aktivitäten fort, die bereits 1990 zur Gründung der seitdem jährlich tagenden "Europäischen Konferenz für Menschenrechte in der Kirche" beigetragen haben sowie 1991 zur Gründung des Europäischen Netzwerks "Kirche im Aufbruch". Unser Mitglied Oswald Stein war für die beiden Netzwerke Koordinator der Arbeit an einer demokratischen Verfassung für die römisch-katholische Kirche, die in enger Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen "Association for the Rights of Catholics in the Church" ausgearbeitet wurde (veröffentlicht im Ikvu-Rundbrief Juli 1999).


Die Mitglieder der Initiative Christenrechte in der Kirche sehen in der wachsenden internationalen Zusammenarbeit eine ermutigende Kraftquelle, ohne die sie vielleicht auch wie so viele andere jede Hoffnung auf eine Veränderung in der Kirche aufgegeben hätten. 2012 konnte das von unserer Initiative mitgegründete Europäische Netzwerk Kirche im Aufbruch anlässlich seines Jahrestreffens in Barcelona sein 20jähriges Gründungsjubiläum feiern. Das Netzwerk ist offiziell beim Europarat akkreditiert. Sein Präsident Prof. Francois Becker wurde zum Leiter einer Arbeitsgruppe „Religionen und Menschenrechte“ der Nichtregierungsorganisationen beim Europarat berufen. Das Netzwerk arbeitet auch mit NGOs jüdischer, islamischer, buddhistischer, christlicher sowie humanistischer Provenienz in einem „think tank“ namens G3i (internationale,interkulturelle und interkonviktionelle Gruppe) zusammen und hat mit Unterstützung des Europarats bereits 2 Kolloquien zum Beitrag der Religionen und Weltanschauungen zum Zusammenhalt Europas veranstaltet. Unser Geschäftsführer Gerd Wild ist sowohl Delegierter für das Europäische Netzwerk bei der Konferenz der NGOs beim Europarat in Straßburg als auch einziges deutsches Mitglied in der G3i.


Es liegen eine Reihe alter Veröffentlichungen vor, die dank der Unbeweglichkeit der Amtskirche zum großen Teil immer noch aktuell sind:

  • "Kirche als Arbeitgeberin", 1980
  • "Dokumentation von Einzelfällen", 1980
  • "Informationen und Überlegungen zur Laisierung", 1980
  • "Memorandum des Komitees Christenrechte in der Kirche, 1982, eine theoretische Begründung des Begriffs "Christenrechte", die den katholischen Bischöfen und den evangelischen Landeskirchen zugesandt wurden.
  • "Plädoyer für die Homosexuellen in der katholischen Kirche", 1984
  • "Es ist nicht mehr Mann und Frau; denn ihr seid alle 'eins' in Christus", Maria von Magdala / Christenrechte 1989
  • "Wähle die Menschen", eine kritische Auseinandersetzung zum § 218, 2. Aufl. 1990
  • "Lesbische Frauen in der Kirche"; Monika Barz, Herta Leistner, Ute Wild (Hrsg.), 2. Aufl. Stuttgart 1993


Seit der Gründung 1979 als Komitee Christenrechte in der Kirche erschienen 18 Rundbriefe, seit der Neugründung als Initiative Christenrechte in der Kirche 23 weitere, jetzt Christ/innen/rechte-Info genannt, mit jeweils 50 - 80 Seiten und in einer Auflage von 400 Exemplaren. Das Info kann kostenlos bezogen werden.

Der „Initiative Christenrechte in der Kirche e.V.“ ist ein als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein. Er finanziert seine Arbeit ausschließlich aus den Spenden der Info-BezieherInnen.

Die wenigen noch aktiven Mitglieder engagieren sich schwerpunktmäßig für die Schwangeren-konfliktberatung „in Trägerschaft katholischer Frauen und Männer“ des Frauenwürde Ortsvereins Eschborn e.V., die internationale Vernetzung im Rahmen des Europäischen Netzwerks Kirche im Aufbruch und die Gesellschaftskritik der Ordensleute für den Frieden, die ebenfalls Mitgliedsgruppe der Ikvu sind.

Ansprechpartnerin: Dorothea Kemming-Nassabi (E-Mail: christenrechte[at]ikvu.de) Wacholderweg 4, 65760 Eschborn