Ein feste Burg

Reformationstag oder große Feststage, es gibt ein Lied, das verdeutlicht: hier sind wir beheimatet, das glauben und bekennen wir, „ Ein feste Burg ist unser Gott“. Ein Lied, das in seiner Bekenntnishaftigkeit deutlich macht, dass man hier steht und nicht anders kann: ein Lied für Notzeiten, trotzig und aufrecht, ein feste Burg. Das Lied hat seine eigene Geschichte, die nicht immer nur gut war.

 

Heute ist die „feste Burg“ ein Gebilde, das sich von dem Gottesbezug entkoppelt hat und real existiert: „Ein feste Burg….die gute Wehr und Waffen“.  Europa ist diese reale feste Burg. Eine Festung, ein Reich, wo Menschenrechte und Wohlstand, Demokratie und Sicherheit garantiert sein sollen– allerdings nur für die, die in dieser Burg bereits leben. Niemand sonst darf hinein und die Abwehrmaßnahmen gehen vom Wegsehen bei Bootsflüchtlingen, damit sie eher ertrinken oder verdursten als die sichere Burg zu erreichen, bis hin zu Zwangsmaßnahmen in dieser Festung, damit es denen, die gekommen sind, so unmöglich wie nur geht, gemacht wird, und sie schnellstens wieder zurückkehren.

„Der alt böse Feind mit Ernst er´s jetzt meint; groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist…“  Die finstere Macht wird in Europa mit dem Terrorismus und illegaler Migration gleich gesetzt – und es nimmt pathologische Züge an, welche Ängste sich dahinter verbergen und damit geschürt werden.

 

Diese Festung Europa hat mehrere Burgringe:

Einen aus der Visaerteilung. Man bekommt schlichtweg kaum ein Visum, wenn man nach Deutschland einreisen will. Die Familienzusammenführung ist erschwert worden. Diese angeblich so sichere Abwehrmaßnahme hat eine Schattenseite: Die Schlepper feiern Hochkonjunktur und kassieren ab. Und die Grenzsicherung rüstet weiter hoch.

Riskiert man es dennoch, lebt unerkannt ohne Papiere, drohen Verhaftung, Geldstrafen, Abschiebung und Einreisesperren. Das sind gleich mehrere Festungsringe. Dennoch gelangen Menschen illegal nach Deutschland und leben und arbeiten hier unerkannt.

 

Diese Festung hat ihren Preis. Einen enorm hohen Preis für  Grenzsicherung und andere Abwehrmaßnahmen, wie Frontex. Personal und Infrarotkameras, mehr oder weniger geschulte Grenzschutzleute und Hightech-Geräte, Abschiebeflüge mit horrenden Kosten, Marineeinheiten und Helikopter. Aufrüstung ist oberstes Gebot. Die Lager in Libyen und Marokko machen klar, dass sich eine Entsorgungsmentalität breit macht. Alles geht – nur nicht hier in der Festung.

 

Diese Festung hat ihre Toten, wie bei jedem Krieg, der erklärt oder unerklärt geführt wird.

Angeschwemmte Leichen an Urlauberstränden, Körperteile in Fischernetzen . Die Überlebenden erzählen von denen, die freiwillig vor Durst halb wahnsinnig über Bord sprangen. Hungernde in Lager, Opfer von Anti-Personenminen an der griechischen grenze im Evrostal. Die Liste ist lang.

 

Diese Festung beschädigt alle Werte, die sie zu verteidigen vorgibt. Menschenrechte zu schützen, in dem man die elementarsten Menschenrechte den sich hierher Flüchtenden abspricht, ist für alle Menschen - in und vor der Festung-  katastrophal.

 

Was ist zu tun? Es gilt sich zu besinnen auf das, was unsere Werte wirklich ausmacht. Und gegenzuhalten gegen die Preisgabe unserer Werte, die bei dieser radikalen Verteidigung der Festung mit untergehen.

 

Ein feste Burg ist unser Gott, kann dabei so gar das richtige Lied sein, um noch einmal gerade zu rücken, dass dieser Gott auf eine andere Beheimatung, Gerechtigkeit und Frieden in Gelassenheit und mit Geborgenheit drängt - und Sicherheitswahn und Abschottungspolitik nicht in seinem Namen geschehen.

Für die, die den Wahnsinn an griechischen Küste und Lagern, auf Malta, oder an der ukrainischen Grenze aufdecken, braucht es viel Kraft, Idealismus und Vertrauen als „Wehr und Waffen“, um diese Hochrüstung im Kampf gegen Flüchtlinge und Migranten aktiv begegnen zu können.

 

Rücken wir die  real existierende Umdeutung des Liedes wieder gerade.  „Er hilft aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen.“ Ein feste Burg ist unser Gott – nicht die Festung Europas. Die Würde des Menschen, seine Gottesebenbildlichkeit ist festzuhalten und zu verteidigen gegen diesen Verteidigungskrieg, den die EU unerklärt gegen Flüchtlinge führt.

 

Fanny Dethloff