Kommentar von Sebastian Dittrich
Danke für die Schläge - oder: Wenn der Hahn zweimal kräht
Wie der oberste Protestant einem Protestantenfresser zum neuen Amt gratuliert
02.07.2012
Dankeswünsche und warme Worte zu Abschieden und neuen Lebens- und
Berufsabschnitten sind im öffentlichen Leben etwas ganz normales. Inhaltlich
sind sie kaum von Belang, man kann sie zur Kenntnis nehmen, oder nicht.
Interessant ist eigentlich nur, ob und von wem sie kommen. Auch die netten
Worte des EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider, mit denen er dem neuen
Pro-Präfekten der Glaubenskongregation, Bischof Gerhard Ludwig Müller (GLM)
gratuliert, gehören in diese Kategorie (EKD-Pressemitteilung 2.07.2012).
Interessanter wäre es gewesen, hätte er sie sich und uns erspart.
Wer sich aber doch die Mühe macht, die Worte aufmerksam zu lesen, kann nur in zwanghaftes Fremdschämen verfallen. Und wird kaum das Kikeriki überhören,
angesichts der devoten Selbstverleugnung des obersten Repräsentanten einer
reformatorischen Kirche (!), die doch als solche anerkannt und ernst genommen
werden will. Oder doch nicht? Spätestens seit dem 2.07.2012 sind da Zweifel
angebracht.
Warum also kräht der Hahn?
1. Kikeriki: Schneider spricht davon, dass Müller in sein neues Amt die
Erfahrung des "Miteinander[s] der Konfessionen" in Deutschland einbringt.
Wohl wissend, dass dieses Miteinander trotz, und nicht wegen solcher
Hardliner wie GLM stattfindet. Übrigens auch in Regensburg.
Weiterhin wird gedankt für die "intensive und konstruktive Zusammenarbeit" -
und verdrängt offenbar, dass GLM - als Ökumenebeauftragter der deutschen
Bischofskonferenz - fast alles herabgewürdigt hat, was zum Kernbestand des
heutigen Protestantismus gehört - so etwa die Frauenordination ebenso wie die
reformatorische Position zum Papsttum. Was konstruktiv daran sein soll,
Diskussionen darüber grundsätzlich auszuschließen und dem Gesprächspartner
seine "Irrtümer" pressewirksam und ex cathedra um die Ohren zu hauen - das
erklärt Schneider nicht.
2. Kikeriki: Schneider betont weiterhin, dass man mit den Vorstellungen GLM's
aus dem Herbst 2011 übereinstimmt, "dass das Jahr 2017 auch im Sinne der
ökumenischen Bewegung zu gestalten" sei. Offenbar muss Schneider in der
Zwischenzeit absichtlich taub gewesen sein, hat doch GLM erst im April in
einem dapd-Interview geäußert, dass er nicht davon ausgehe, "dass es eine
gemeinsame Sichtweise gibt auf die protestantische Reformation gibt" Ebenso
dürfte es nach GLM auch die protestantischen "Kirchengemeinschaften neben der einen katholischen Kirche" eigentlich gar nicht geben. Aber wenn diese sich
so etwas gefallen lassen, ist das wohl auch nicht weiter schlimm.
Spätestens jetzt sollte klar geworden sein, dass das Amt des
EKD-Ratsvorsitzenden nichts mit dem Papstamt gemein hat, und auch
(sakramental) kaum in die Petrus-Nachfolge zu stellen ist. Denn Petrus war
nach dem zweiten Krähen bewusst, was er getan hatte (Markus 14, 72). Aber
Schneider schließt betont optimistisch, dass es gut sei, "künftig einen
Kenner der ökumenischen Verhältnisse in Deutschland an so verantwortlicher
Position in der Weltkirche zu wissen." Das zeugt wohl weniger von gutem
Wissen, als von chronischem Ignorieren des bisherigen Wirkens von GLM.
Alles in allem: Keine Abschiedsworte oder Glückwünsche, sondern ein "Danke
für die Schläge" nach Rom und an die Deutsche Bischofskonferenz. Und eine
verklausulierte Bitte: Wie möchten einen neuen GLM haben, weil's bisher so
schön war! Eine derart "katholische" Leidenssucht wird Schneider vielleicht
auch als im Sinne "der ökumenischen Bewegung" verstehen. ProtestantInnen mit einem Rest an Selbstachtung benötigen angesichts solcher Selbstverleugnung hingegen eine erhebliche Leidensfähigkeit. Engagierte KatholikInnen, die seit über 10 Jahren an GLM leiden, können darüber nur mit dem Kopf schütteln. Aber vielleicht werden Präses Schneider seine Worte doch noch einmal bewusst; für diesen Fall sollten reichlich Taschentücher bereitliegen.